ERINNERUNGSKULTUR
Würdige Abschlussveranstaltung des Erinnerungsprojekts - im kleinen Kreis mit großer Wirkung
Mit der Enthüllung der Erinnerungstafel für zwölf ehemaligen jüdische Schüler des Humanistischen Gymnasiums Ingolstadt – so hieß das Reuchlin-Gymnasium früher – fand am 25. Februar 2021 die Arbeit des P-Seminars Geschichte 2019/2021 einen würdigen Abschluss. Alle Beteiligten waren glücklich, dass dieser wichtige „Schlussstein“ des Erinnerungsprojekts zum Holocaust noch vor dem Ende des ersten Halbjahres gesetzt werden konnte, weil es coronabedingt immer wieder zu Verzögerungen gekommen war.
„Somit kehren auch die zwölf ehemaligen Schüler wieder in den Altbau zurück“, wie Evelina Koschelew bei ihren Begrüßungsworten sehr treffend bemerkte. Es war ein Glücksfall, dass die Anzahl der Schüler mit israelitischer Religionszugehörigkeit am Humanistischen Gymnasium zwischen der Gründung um 1900 und dem Holocaust mit der Teilnehmerzahl im P-Seminar aufging. So hatte jedes P-Seminarmitglied im Verlauf des Projektes eine „Patenschaft“ für einen ehemaligen jüdischen Schüler übernommen und trug bei der Feier zur Enthüllung der Tafel wichtige Lebensdaten vor. Leonie Hauch erklärte zu Beginn ihren Entwurf der Erinnerungstafel. Sie betonte, wie wichtig es für das Seminar gewesen sei, dass „alle ehemaligen Schüler gleich groß dargestellt werden, weil alle Schüler gleichermaßen geehrt werden“ sollten. Außerdem wurde mit der schlichten und in Grautönen gehaltenen Farbgebung der ernsthafte und traurige Charakter der Erinnerungstafel unterstrichen.

Für die Seminarteilnehmerinnen und -teilnehmer war es schade, dass sie bei diesem wichtigen Abschluss ihrer Projektarbeit allein im Schulhaus waren und dass keine Gäste an der Veranstaltung teilnehmen konnten. Schulleiterin Edith Philipp-Rasch griff diesen Umstand in ihrer Rede auf und sprach über die schmerzlichen Erfahrungen der zwölf ehemaligen Schüler: „Für die meisten hat es geheißen, ich muss meine Heimat zurücklassen. Für einen hat es sogar geheißen, er muss sein Leben lassen. Und sie werden wahrscheinlich viele Momente der Einsamkeit durchgemacht haben. “
Durch die Film-Dokumentation von Felix Kaiser können alle auch im Nachhinein teilnehmen, die gerne dabei gewesen wären. Auch die ausführliche Berichterstattung von Christian Silvester im Donaukurier ermöglichte es jedem Interessierten, sich zeitnah zu informieren. Zu dieser Personengruppe zählen auch die Angehörigen der ehemaligen Schüler in den USA und England. Erst deren Unterstützung für das Projekt ermöglichte eine so umfangreiche Dokumentation der Familienschicksale im Holocaust, die direkt mit unserer Schule verbunden sind.
Das Seminar hat im Verlauf der vergangenen anderthalb Jahre Kontakt zu Nachkommen von sieben ehemaligen Schülern aufgenommen. Charlotte Janis in Atlanta, die Tochter von Kurt Hermann, stellte die Verbindung zur Kuratorin Kassandra LaPrade Seuthe vom Holocaust Memorial Museum in Washington DC her. Im Verlauf des Seminars standen fast alle Schülerinnen und Schüler mit ihr in E-Mail-Kontakt. Ihre unermüdliche Unterstützung öffnete bei der Recherche nach Informationen viele auch unerwartete Türen, die zu dem Erfolg führte, der durch die vielen Bilddokumenten in den Ausstellungen deutlich wurde.
Doch begonnen wurde die Recherche vor Ort in Ingolstadt in den Schülerakten und Jahresberichten im Schularchiv, sowie im Stadtarchiv und Stadtmuseum Ingolstadt. Die enorme Vorarbeit zur Geschichte der jüdischen Gemeinde in Ingolstadt durch Dr. Theodor Straub gehört zu den günstigen Voraussetzungen des Projekts. Die kontinuierlichste Unterstützung erfuhr das Projekt von Lutz Tietmann, dem Mitbegründer der Ingolstädter Gedenk-Initiative und Mitarbeiter im Stadtarchiv Ingolstadt für jüdische Geschichte.
Abschließend sei allen gedankt, die zum Erfolg dieses Projektseminars beigetragen haben – zunächst natürlich den Seminarteilnehmerinnen und -teilnehmern, die enormes Engagement, Geschick und vor allem Durchhaltevermögen bewiesen haben. Die ganze Schulgemeinschaft hat uns sehr unterstützt. Unsere Schulleiterin Edith Philipp-Rasch sowie Kolleginnen aus der Fachschaft Geschichte, Eva Heindl und Ursula Winberger, sowie Verantwortliche aus dem Bereich Kulturschule, Angelika Wulf, Robert Aichner und Christian Albert, sollen hier stellvertretend genannt werden. Last, but not least sei allen Angehörigen der ehemaligen jüdischen Schüler für ihre wertvolle Unterstützung von Herzen gedankt. Die von ihnen bereitgestellten Quellen und Kontakte erlauben noch folgenden Schülergenerationen am Reuchlin-Gymnasium eine intensive Auseinandersetzung mit diesem Thema.